Seit etlichen Jahren finden sich in den sozialen Medien sogenannte Challenges. „Das Spektrum reicht dabei von eher harmlosen Mitmach-Aufforderungen bis zu riskanten und gefährlichen Herausforderungen. Aber auch die Nachahmung von nicht altersgemäßen oder gewalttägigen Inhalten kann zum Internet-Phänomen werden – so ist es einer Internetplattform der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu lesen. Ende letzten Jahres sorgten die „Hot Chips“ für Schlagzeilen. Zwei Teenagerinnen aus Bayern landeten nach dem Konsum dieser äußerst Scharfen Chips in der Notaufnahme einer Klinik. Ein Fall für die Justiz. Mittlerweile hat der Hersteller den Verkauf in Deutschland gestoppt.
Challenges sind nicht anderes als Mutproben. Wir alle kennen das aus der Kindheit. Aber hat das noch etwas mit Mut zu tun? Was ist eigentlich Mut? Im Duden kann man nachlesen: die „Fähigkeit, in einer gefährlichen, riskanten Situation seine Angst zu überwinden; Furchtlosigkeit angesichts einer Situation, in der man Angst haben könnte“.
Das trifft auf Petrus zu. Schon als er Jesus das erste Mal begegnet. Jesus fordert ihn und seine Crew auf, auf den See hinauszufahren und die Netze auszuwerfen. Und das am helllichten Tag. Sie hatten die ganze Nacht ohne Erfolg gefischt. „Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.“ Ganz schön mutig! Der Misserfolg und das Gespött der Leute ist eigentlich vorprogrammiert. Sein Wagemut wird belohnt: die Netze sind übervoll, die Boote drohen unterzugehen. Wundert es noch, wenn Petrus alles stehen und liegen lasst, um Jesus nachzufolgen?
In der Folge erleben wir eine schillernde Persönlichkeit. Zum einen ist Petrus sehr impulsiv und schnell zu begeistern, zuweilen verlässt ihn aber auch der Mut. Das macht ihn mir sehr sympathisch, weil ich mich in ihm wiedererkenne. Er ist nicht der Superhero, dem alles gelingt, der in jeder Situation Herr der aus Lage ist und keine Angst kennt. Die Geschichte par excellence ist in Mt 14, 22-33 nachzulesen: Die Jünger sind nach Anbruch der Dunkelheit auf dem See Genezareth unterwegs und geraten in einen der gefürchteten Stürme. Der Wind, der ihnen entgegenbläst verhindert das Vorwärtskommen. In der Morgendämmerung kommt ihnen eine Gestalt auf dem Wasser entgegen. Die Angst übermannt sie. An Jesus denkt in diesem Augenblick keiner von ihnen. Sie meinen es sei ein Gespenst und schreien wie kleine Jungs. Nachdem sich ihnen Jesus in bekannter Weise zu erkennen gibt, ist es Petrus, der als erster seine Fassung wieder findet. Übermutig bittet er Jesus: „Herr, wenn du es bist, befiehl mir, über das Wasser zu dir zu kommen.“ Warum diese Bitte? Ist das nicht des Guten zu viel? Anscheinend nicht. Jesus sagt nur ein Wort: „Komm". Und jetzt beweist Petrus Mut. Er steigt aus dem Boot und geht Jesus auf dem Wasser entgegen. Aber er kommt nicht weit, beginnt zu sinken. Er spürt den starken Wind. Der Mut verlässt ihn und er bekommt es wieder mit der Angst zu tun.
So auch nach Jesu Verhaftung, als er mehre Male angesprochen wird, ob er nicht zu den Anhängern Jesu gehöre. Er bekommt es mit der Angst zu tun. „Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn.“ (Mt 26,74) Genau das hatte ihm Jesus kurz vorher beim letzten Abendmahl prophezeit. Voller Selbstsicherheit und Übermut meinte er da: „Und wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen.“
Sein Übermut führt dazu, dass er Jesus regelrecht anschreit, als dieser erstmals von seinem Leiden, seinem Tod und seiner Auferstehung spricht. Bei der Verhaftung Jesu haut er einem der Männer des Hohenpriesters mit dem Schwert das rechte Ohr ab.
Diesen Mann, mutig – übermütig – mutlos, sendet Jesus schließlich mit dem dreifachen Auftrag „weide meine Lämmer/Schafe“ (Joh 21). Mit dem Pfingstfest und danach erleben wir nur noch einen mutigen Petrus. Mit seiner Predigt vor Tausenden von Menschen riskiert er Kopf und Kragen. Nach einer Heilung eines Gelähmten und einer anschließenden (mutigen) Predigt wird er – zusammen mit Johannes – verhaftet und muss sich vor dem Hohen Rat verantworten. Das bleibt nicht ohne Wirkung: „Sie sahen aber den Freimut des Petrus und Johannes und wunderten sich …“ (Apg 4,13) Bei einer erneuten Verhandlung formuliert er den wohl mutigsten Satz überhaupt: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29).
Der Mut des Petrus hat weniger etwas mit Mutproben zu tun, als vielmehr mit dem Vertrauen in Jesus. In den biblischen Texten kommt das Wort Mut nämlich gar nicht vor. Der Glaube des Petrus ist immer wieder herausgefordert und bewegt sich zwischen bedingungslosem Bekenntnis („Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“) und der Verleugnung Jesu („Ich kenne diesen Menschen nicht“). Aber Jesus lässt ihn deshalb nicht fallen. Das macht mir Mut bzw. stärkt meinen Glauben.
Diakon Jürgen Ziegler